Adolf Brand und die Schwulenbewegung

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Abstract

Adolf Brand war einer der farbigsten, militantesten und konstroversiellsten Aktivisten der deutschen Homosexuellenbewegung vor dem Zweiten Weltkrieg. Es ist an anderer Stelle beschrieben worden, wie er immer wieder in öffentliche Streitigkeiten, Skandale und Prozesse verwickelt war. Von 1896 bis 1932 gab er die Zeitschrift Der Eigene heraus, das erste homosexuelle Blatt in Deutschland und zugleich das erste der Welt. Brand war zugleich der Anführer der zweiten schwulen Organisation in Deutschland, der Gemeinschaft der Eigenen, die er 1903 gründete, sechs Jahre nach der Gründung des Wissenschaftlich-humanitären Komitees. Anders als Magnus Hirschfelds Komitee war die Gemeinschaft der Eigenen weniger eine politische Organisation als soetwas wie ein literarischer Zirkel. Seine Zeitschrift war denn auch zu einem großen Teil der Literatur und der bildenden Kunst gewidmet. In Die Geschichte der eigenen Geschichte. Literatur und Literaturkritik in den Anfängen der Schwulenbewegung (1997) hat Marita Keilson-Lauritz am Beispiel dieser Zeitschrift die Rolle der Literatur für die Entwicklung schwulen Selbstbewußtseins und schwuler Emanzipation dargestellt.
Außer Gedichten und Erzählungen publizierte der Eigene jedoch auch zahlreiche Texte zu sozialen und politischen Aspekte männlicher Homosexualität. Ich möchte an dieser Stelle die Aufmerksamkeit auf einige ideologische und politische Fragen lenken, die von Brand und anderen Autoren im Eigenen zur Sprache gebracht wurden. Dabei unterschied sich ihr Standpunkt wesentlich von demjenigen von Hirschfeld und seiner Anhänger. Der Unterschied zwischen Brands Gemeinschaft der Eigenen and Hirschfeld's Wissenschaftlich-humanitärem Komitee, den ich hier hervorheben möchte - wobei ich gleichzeitig einräume, daß es auch allerlei Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Bewegungen gab - könnte immerhin auch für die aktuellen Debatten über Homosexualität von Bedeutung sein.
Doch sind die politischen Standpunkte der wichtigsten Wortführer der Gemeinschaft der Eigenen zumindest kontroversiell zu nennen. Eine Reihe von Beiträgen in Der Eigene zeigen, daß Homosexuelle nicht immer nur auf der liberalen oder der linken Seite des politischen Spektrums zu finden sein müssen. Im Gegenteil: im Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg scheinen einige homosexuelle Männer für einen extremen Nationalismus optiert zu haben, als Mittel, ihr Wunschbild einer männlichen Gesellschaft in Wirklichkeit umzusetzen.
Original languageEnglish
Title of host publicationEmanzipation hinter der Weltstadt
Subtitle of host publicationAdolf Brand und die Gemeinschaft der Eigenen
EditorsM. Keilson-Lauritz, R.F. Lang
Place of PublicationBerlin-Friedrichshagen
PublisherMüggel-Verlag
Pages69-84
Number of pages247
ISBN (Print)3-9806805-4-1
Publication statusPublished - 1 Jan 2000

Publication series

SeriesEdition Friedrichshagen
Number4

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